geb. am 14. Nov. 1924 in Rode –

gest. am 20. Juli 2005 in Weiden / Oberpfalz

Als er im Sommersemester 1949 das erste Mal über die Schwelle meines Zimmers im Studentenheim des Martin-Luther-Bundes trat, begann für mich ein neuer Abschnitt im Kennenlernen meiner Heimat. Georg Wenzel, 1924 in Rode geboren, hatte sich auf eine sehr eigene Weise ins Theologiestudium hereingekämpft. Als ihn das Abkommen zwischen dem rumänischen und dem deutschen Staat 1943 in die Waffen-SS gespült hatte, hatte er nach dem Tode seines Vaters schon ein Jahr lang den Bauernhof geführt. Und als er nach Kriegsende in französische Gefangenschaft geraten war, hielt es ihn da nicht lange. Er rückte aus und verdingte sich als Knecht in ein Tiroler Kloster. Aber dort beließ er es nicht beim Holzhacken. Er begann Latein zu lernen. Er erkundigte sich nach den Bedingungen für ein Theologiestudium, denn er wollte Pfarrer werden, um seinen Rodern zu helfen, die im Herbst 1944 nach langem Treck in Tiroler Lagern ihr Dasein fristeten.

Theologie studieren? Was für eine Schulbildung habe er denn? Nun: Sieben Volksschulklassen. Aber, so unterstrich er, siebenbürgische Volksschulklassen! Kopfwiegen: Bei Begabung und Fleiß könne er die Matura vielleicht in vier Jahren schaffen. Was? Dachte er: Die Städter arbeiten acht Stunden am Tag. Wir Roder Bauern arbeiten von Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang. Also doppelt soviel. Georg Wenzel schaffte die Matura in knapp zwei Jahren. Seine besten Noten hatte er in den naturwissenschaftlichen Fächern.

Aber wie weiter? In der französischen Besatzungszone Österreichs gab es keine evangelisch-theologische Fakultät. So begann er sein erstes Semester in der katholischen Fakultät von Innsbruck. Für das zweite und dritte Semester erhielt er die Erlaubnis zum Grenzübertritt nach Bayern. In Neuendettelsau schaffte er in diesen zwei Semestern die griechische und hebräische Sprachprüfung. Und dann – es war sein viertes Studiensemester – begegneten wir uns im Erlanger Studentenheim des Martin-Luther-Bundes. Hier waren wir schon sechs siebenbürgische Theologiestudenten. Aber wir alle hatten an den städtischen Gymnasien unserer Heimat das Bakkalaureat abgelegt. Wohl kannten wir alle das Dorf. Aber wir kannten es aus der Perspektive des Städters. Er brachte eine unverstellte Welt der bäuerlichen Gemeinde in unser Heimat- und Kirchenbewußtsein, das unser Wissen und Denken über Kirche und Heimat neu beleuchtete, vertiefte und bereicherte. Für ihn blieb Rode zeitlebens das Zentrum und der Angelpunkt Siebenbürgens.

Daß sein Theologiestudium dem späteren Dienst in der Heimatkirche galt, war für Georg Wenzel selbstverständlich. Und da er von einem schwedischen Stipendium gehört hatte, das Karl XII. für einen siebenbürgischen Theologiestudenten gestiftet haben soll, lernte er schnell auch schwedisch. Mit dem Stipendium Karls XII. klappte es zwar nicht, aber mit einem Stipendium des Ökumenischen Rats schloß Georg Wenzel nach nur drei Semestern in Erlangen sein Studium mit zwei Semestern in Lund ab und meldete sich zum Examen in Bayern.

Es war ein Blitzstudium gewesen. Vom Abschluß der siebenten Volksschulklasse in Rode hatte er zwei Jahre und acht Semester Studium gebraucht, davon zwei in Schweden und eines an der katholisch-theologischen Fakultät von Innsbruck. Über die Vikarsstelle in Aschaffenburg und Pfarrstellen bei Uffenheim (wo in der Nähe siebenbürgische Flüchtlingsgemeinden untergekommen waren) und Nürnberg wurde Georg Wenzel Dekan im weiten Kirchenbezirk von Weiden (Oberpfalz). Schon von den Studienjahren an arbeitete er intensiv mit im Arbeitskreis Junger Siebenbürger Sachsen, im Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und schließlich im Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, zu dessen Gründungsmitgliedern er gehörte. Er wurde überall geschätzt wegen seiner überaus originellen und überzeugenden Weise, die bäuerliche siebenbürgische Grunderfahrung  kirchlichen Lebens in die moderne Welt Nachkriegsdeutschlands zu übersetzen und seine Heimatgebundenheit in ökumenischen Dimensionen zum Ausdruck zu bringen.

Wohl war es ihm nicht gelungen, seiner Heimatkirche direkt zu dienen. Aber er hat über die Zeit seines aktiven Dienstes hinaus, wo immer er konnte, die Sache dieser Heimatkirche vertreten, sich für sie mitverantwortlich gefühlt, sich erfolgreich um Hilfen für sie bemüht. Keinem, der ihm begegnete, blieb verborgen, daß er Siebenbürger Sachse war und daß sein Herz für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien schlug. Seine Frau, die ihn auch in diesen Bindungen an die Heimat begleitete und bestärkte, und den sieben Kindern mit deren Familien gilt unsere Anteilnahme und unser Dank. Georg Wenzel wurde am 23.Juli unter großer Beteiligung in Weiden begraben.

Paul Philippi

Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien trauert mit der Familie um den treuen Diener des Evangeliums Dekan Georg Wenzel, dessen Glaubensverbundenheit mit seiner Heimat und mit vielen ihrer Brüder und Schwestern unvergessen für alle diejenigen bleiben wird, die ihn gekannt und seinen Einsatz für Siebenbürgen erfahren haben. Gott lasse ihn ruhen in Frieden und das Licht seiner Gnade leuchte ihm!

D. Dr. Christoph Klein, Bischof

Erschienen im Ev. Amtsblatt des Landeskonsistoriums Hermannstadt